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Scheunen und Kirchenburgen in
Siebenbürgen - mittelalterliche Zimmerungstechniken geben Rätsel
auf
Rumänien ist seit einigen Jahren Mitglied der EU und damit näher an die Mitte Europas herangerückt. Darum wundert es nicht, dass über das alte deutsche Siedlungsgebiet Siebenbürgen häufiger als früher in der Öffentlichkeit berichtet wird. Schmerzlich wird dabei vermerkt, wie schön und ursprünglich die lang gezogenen Dörfer auf den Besucher wirken, in denen immer weniger Menschen wohnen, darunter vor allem immer weniger Siebenbürger Sachsen.
Die ursprünglichen Höfe bestehen aus schmalen
Parzellen. Zur Straße das Wohnhaus. Daneben das zum Hof gehörende
Einfahrtstor. Am Ende des Hofes, quer zur schmalen Parzelle,
verfügen fast alle Höfe über eine Scheune. Häufig haben die
Scheunen eine Länge, die die ganze Breite des Grundstückes
einnehmen. Der Typus der Scheunen lässt sich relativ einfach als
Querdurchfahrtsscheunen beschreiben, eine Bauform, die auch in
Niederdeutschland häufig anzutreffen ist. >
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Ehemals Radeln heute Roades Kreis Brasov
(Kronstadt), Haus Nr. 41 mit Scheune von 1801(d) und Änderungen von
1873(d)
In der Regel besteht die Konstruktion aus
Eichenholz in ausschließlich gebeilter Ausführung. Eine Scheune mit
mittlerer Durchfahrt, links und rechts jeweils ein Bansenraum,
setzt sich aus 4 Gebinden, bzw. 8 Ständern zusammen. Die Ständer
sind sowohl mit den Balken, als auch mit den firstparallel
verlaufenden Rähmen durch Kopfbänder verbunden und generell
geblattet, unabhängig davon, wie alt die Scheune ist und wann sie
errichtet wurde. Die 8 Ständer stehen nicht auf Schwellen, sondern
frei auf Steinen. Jedes Dorf verfügt heute noch über eine größere
Anzahl dieser Gebäude. In ganz Siebenbürgen werden es wohl mehrere
hundert sein. Bei einer ersten Untersuchung im Frühjahr 2011
konnten 12 Scheunen aufgemessen und für eine dendrochronologische
Untersuchung beprobt werden. Die meisten Bauten muten
mittelalterlich an, sind aber viel jünger, was auch die
Jahrringanalyse bestätigt. Diese Tatsache wirft mehrere Fragen auf:
Woher kommt die Bauweise? Gibt es irgendwo in Europa ein
vergleichbares Phänomen und wieso konnte diese Bauweise bis in die
1950er Jahre überleben? Teilweise finden sich die Antworten schon
in zwei Büchern: F.F. Fronius, Bilder aus dem sächsischen
Bauernleben in Siebenbürgen (1883) und A.Schullerus,
Siebenbürgisch-sächsische Volkskunde im Umriss (1926).
Zwar behandelt das im Jahr 2000 erschienene Werk Mémoire des
Carparpathes von Jean Cuisenier (2008 als deutsche
Ausgabe Das Gedächtnis der Karpaten im Jonas Verlag
erschienen) hauptsächlich das Gebiet der Maramures, Oltenien und
der Bukowina und spart Siebenbürgen weitestgehend aus, aber
grundlegende Antworten auf die Fragen lassen sich auch hier bereits
finden. Im Frühjahr 2012 fand eine weitere Exkursion statt. Sechs
Hausforscher befassten sich mit diesem Phänomen. Die Reise vom 29.
Mai bis 14. Juni wurde in einem Blog aufgezeichnet und beschreibt
den täglichen Reiseverlauf, die Entdeckungen und Untersuchungen vor
Ort. Weitere Gebäude konnten teilweise aufgemessen, dendrobeprobt
und in allen Einzelheiten fotografiert werden.
Ehemals Deutsch Weißkirch, heute Viscri Kreis
Brasov (Kronstadt), Haus Nr. 135 mit einer Scheune von 1854(d) und
Änderungen von 1957 (dendrochronologisch datiert
1956).
Die schwierige Situation fehlender Referenzkurven
konnte mit Hilfe eines Sägewerks in Agnita (rezente Eichen)
überbrückt werden. Insgesamt liegen derzeit über 250 Proben mit zum
Teil über 200 Jahrringen vor, die es ermöglichen, eine lückenlose
Regionalkurve vom 15. Jahrhundert bis heute aufzubauen und alle
Gebäude einer Altersbestimmung zu unterziehen. Die Daten lassen
dann Aussagen zu Raumstrukturen, Gefüge und Zimmerungstechniken und
zur chronologischen Entwicklung der Bauweise in Siebenbürgen über
einen Zeitraum von rund 500 Jahren zu. Einzelergebnisse der
Datierungen werden im Blog zur Reise, wie
auch auf dieser Seite zugänglich gemacht und ausführlich im Band
Rumänien in der Buchreihe "Hausforscher unterwegs" behandelt. Das
Erscheinen des Buches ist Ende 2012 vorgesehen.
Zu den Einzelergebnissen:
Baugeschichte und Interpretation der Ergebnisse:
Ehemals Birthälm, heute Biertan Kreis Sibiu (Hermannstadt). Die Dachwerke der meisten Gebäude der Kirchenburg (Weltkulturerbe) konnten dendrochronologisch beprobt werden. Das Dachwerk des Kirchenschiffs ließ aufgrund von Sanierungsarbeiten unter Leitung von Prof. Hermann Phleps Mitte des 20. Jahrhunderts nur eine begrenzte Probenentnahme der älteren Hölzer zu, der Chor jedoch - von dieser Maßnahme nicht betroffen - zeigt noch das vollständige Dachwerk mit mittelalterlichen Verzimmerungstechniken. Eine Hoffnung, hier das originale Dachwerk aus der Zeit um 1522 (inschriftliche Datierung am Gewölbe) zu finden, war also berechtigt.
Ehemals Birthälm, heute Biertan
Kreis Hermannstadt. Dachwerk über dem Chor mit aufwändigen und
komplizierten Aussteifungen am mittleren stehenden Stuhl. Erste
Auswertungen der beprobten Hölzer ergaben jedoch eine Bauzeit für
das Jahr 1695 (d), also fast 200 Jahre später als angenommen. Das
Phänomen zeigt sich auch hier, dass mittelalterliche
Zimmerungstechniken bis weit in die Neuzeit gepflegt wurden.
Der Zeitpunkt der damaligen Sanierung scheint nicht zufällig
gewählt worden zu sein. Denn seit 1690 ist Siebenbürgen Teil des
Habsburgerreichs. Die häufigen Überfälle der Osmanen in der
Vergangenheit nehmen mit der Eingliederung ein Ende. Danach setzt
eine Sanierungswelle an vielen Gebäuden ein.
Text und Fotos: Heinz Riepshoff, Erhard Preßler
Besuch aus Köln:
Die Mitarbeiter des Dendro-labors der
Universität Köln
vom 15.-16.07. 2013
zu Gast im Emsland.
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FR, Normandie: Zimmerei-Workshop auf Château de Gaillon, 25.05. - 02.06.2013.
Weitere Dendrodatierungen
in der Normandie.
Tag des offenen
Denkmals:
08. und 09. Sept. 2012
Eine Tondiaschau erläutert ausführlich die Methode der Dendrochronologie
NL, Schoonebeek - südliche Drenthe: Eine systematische Erfassung der historischen Bausubstanz
DE, Frieslands romanische
Kirchen: Reihenunter-
suchungen an Dachwerken
NL, 's-Hertogenbosch: Lassen sich Stadtbrände mit Hilfe der Dendrochronologie räumlich genauer eingrenzen?
FR, Normandie: Grangienbau nach
dem 100-jährigen Krieg
NL, Terborg: Archäologen legen ein großes mittel-alterliches Siedungsareal frei
RO, Rumänien: Mittelalterliche Zimmerungstechniken geben Rätsel auf
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